Die digitale Transformation ist nicht nur ein organisatorischer sondern auch ein technologischer Veränderungsprozess. Unabhängig davon, ob das Ziel darin besteht, den Ertrag zu steigern, papierlos zu arbeiten oder die Produktivität in der Fertigung durch die Digitalisierung zu erhöhen, erfordert ein erfolgreicher organisatorischer Wandel letztendlich die Zu- und Abstimmung auf allen Ebenen des Unternehmens. Deshalb ist es von erheblicher Bedeutung, bedacht und frühzeitig ein Projektteam zusammenzustellen, in dem alle Gruppen vertreten sind, die von den Ergebnissen der digitalen Transformation betroffen sind.

Das Projektteam muss gemeinsam Projektchartas entwickeln, in denen die Vision, der Umfang und die Prioritäten festgelegt werden. Anschließend werden Projektfahrpläne und Meilensteine erstellt, die die Perspektiven aller Beteiligten zusammenfassen. Die Erstellung, Übertragung und Anpassung dieser Schritte stellt sicher, dass das Projekt in die richtige Richtung geht und dient oft als Rahmen, den die Beteiligten und das Projektteam im Laufe des Projekts weiter verfeinern.

Geschäftsziele

Die Fertigungsautomatisierung kann Lösungen für eine Vielzahl von Unternehmenszielen bieten. Besteht das strategische Ziel darin, in der Fertigung papierlos zu werden? Geht es darum, das gesamte Produktionsmaterial zu verfolgen? Oder geht es darum den Ertrag zu erhöhen, die Gesamtanlageneffizienz zu verbessern oder die Komplexität der Fertigungsprozesse und Betriebsszenarien zu reduzieren? Sicherlich ist die Festlegung von Unternehmenszielen ein evolutionärer Prozess, bei dem die Beiträge des Projektteams gesammelt und die Ziele untersucht, wiederholt und verfeinert werden.

Sobald eine Reihe von Zielen klar formuliert und vereinbart wurde, muss die Leitung eine kohärente Vision entwickeln. Gleichzeitig müssen die damit verbundenen Grenzen definiert und der geschäftliche Kontext, Ziele, Prioritäten und Maßnahmen festgelegt werden. Diese werden dann vom Projektteam im Sinne des eisernen Dreiecks (Umfang, Zeitplan und Ressourcen) erfolgreich bewältigt.

Industrie 4.0-Projektmanagement

Leitprinzipien

Aufgrund der Komplexität und des Risikos in Verbindung mit digitalen Transformationsprojekten im Bereich der fortgeschrittenen Fertigung, ist es zwingend erforderlich strenge Projektmanagementprinzipien einzuhalten und die Unterstützung eines zertifizierten Projektmanagers (PM) in Anspruch zu nehmen. Dieser verfügt sowohl über ein breites als auch tiefes Fachwissen und Erfahrung auf dem Gebiet der fortschrittlichen Fertigungsautomatisierungsprojekte.

Es hat sich immer wieder gezeigt, dass der Zeitaufwand für eine korrekte Planung der Tätigkeiten zu niedrigeren Gesamtkosten führt und die Wahrscheinlichkeit des Projekterfolgs erhöht. Der PM ist dafür verantwortlich, dass das Projekt angemessen geplant wird und sollte die Wissensbereiche Projektintegration, Umfang, Zeitplan, Kosten, Qualität, Ressourcen, Kommunikation, Risiko, Beschaffung und Stakeholder-Management zusammenfassen. Der PM muss über Expertenwissen und Urteilsvermögen verfügen, um jeden dieser Bereiche im Kontext des jeweiligen Projekts angemessen bewerten zu können. Gleichzeitig ist es zwingend erforderlich, dass dem PM Zeit und Ressourcen dafür zur Verfügung gestellt werden.

Projektteams

Bei Projekten zur digitalen Transformation erhält man wertvollen Input durch die Zusammenarbeit mit Vertretern der Gruppen, die am ehesten von den Änderungen betroffen sein werden sowie der Nutzer, die mit dem Endprodukt interagieren werden. Die Akzeptanz und Einführung neuer Systeme und/oder Prozesse ist außerdem dann am erfolgreichsten, wenn die Endnutzer in die Entwicklung und Umsetzung einbezogen werden. Darüber hinaus können diese Fachleute dem Projektleiter helfen, die aktuelle Situation vollständig zu verstehen und bei der Gestaltung der Lösungen, die im Rahmen der Umgestaltung implementiert werden sollen, unterstützen.

Für die Zusammenstellung des Projektteams sollten wichtige Mitarbeiter aus dem Betrieb als Fachexperten gewonnen werden. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass frühere Erfahrungen genutzt und nicht mühsam (neu) gelernt werden. Mitarbeiter aus den Bereichen Finanzen und Produktion tragen dazu bei, dass das Projekt sowohl im Hinblick auf das Budget als auch auf die Praktikabilität im Rahmen bleibt. Andere Schlüsselpersonen, die über bereichsspezifisches Fachwissen verfügen, gewährleisten, das Projekt auf ein vernünftiges und realisierbares Ergebnis auszurichten. Der Aufbau dieser Gruppe von „Change Agents“, die über fundierte Erfahrungen verfügen und motiviert sind, den Wandel voranzutreiben, ist eine bewährte Praxis. Durch ihre frühzeitige Einbindung und aktive Einbeziehung ihrer Beiträge in die Abwägung von Prioritäten und Zielen wird sichergestellt, dass ihre Stimme gehört wird und ihre Bemühungen mit der Vision übereinstimmen – ein sicheres Indiz dafür, dass das Team sich auch noch engagiert, wenn das Projekt unweigerlich zu einer Herausforderung wird.

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Projektplanung

Wenn die Vision hinreichend detailliert ist, die Prioritäten umrissen sind und ein grober Fahr-und Zeitplan erstellt wurde, kann die formale Konzeption beginnen. Obwohl ein Projektplan erst nach Abschluss des Projekts wirklich fertiggestellt ist, haben die Beteiligten einen gemeinsamen Ausgangspunkt und einen Rahmen, in dem sie die notwendigen Entscheidungen treffen können.

Festlegung der Prioritäten

In der Planungsphase beginnen der Projektmanager und die Beteiligten mit der Feinabstimmung der Prioritäten für das Projekt. Von da an wird es notwendig, den Projektumfang neu zu bewerten und zu verfeinern. Die Prioritäten werden oft nur vage formuliert, aber durch die schrittweise Ausarbeitung werden die Prioritäten ständig überprüft, geklärt und abgestimmt. Die Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses der Prioritäten zu Beginn der Planungsphase ist entscheidend. Im Idealfall stimmen alle Beteiligten überein, da die Prioritäten während der Durchführung, Überprüfung und Kontrolle des Projekts ständig im Mittelpunkt stehen.

Projektfahrplan

Ein Projektplan ist vom Konzept her vergleichbar mit einer Straßenkarte, die für die Navigation durch das Land verwendet wird. Sie liefert die Informationen, die benötigt werden, um das beabsichtigte Ziel zu erreichen und gibt einen Überblick über die Gesamtroute, bietet aber auch die nötige Flexibilität für Fortschrittsbeurteilungen, Kurskorrekturen und Änderungen der Kadenz.

Der anfängliche Projektplan ist ein grobes Planungsinstrument auf hohem Niveau, das sich im Laufe des Projekts ständig weiterentwickelt. Auf der Grundlage des Fachwissens des Projektleiters, des Projektteams, der Systemarchitekten und der Beteiligten konzentriert sich die Roadmap auf die Abfolge der wichtigsten Meilensteine gemäß Priorität, definierten Aufgaben und möglichen Risiken. Berücksichtigt werden sollten: Größe und Kapazität des Teams, der Umfang und die Komplexität des Projekts, Abhängigkeiten und Probleme im Zusammenhang mit der Technologie, organisatorischer Akzeptanz und Annahme, die teilweise oder vollständige Änderung grundlegender Geschäftspraktiken oder der Zugang zu Ressourcen und Fachleuten.

Roadmaps sind ein effektives Kommunikationsinstrument, mit dem sichergestellt wird, dass der PM, die Stakeholder und das Projektteam hinsichtlich des Umfangs und der Abfolge der Arbeiten kontinuierlich aufeinander abgestimmt sind. Anfängliche Einschätzungen der Dauer und des Aufwands sollten vom Team nicht als Verpflichtungen aufgefasst werden, sondern vielmehr dazu dienen, allen Beteiligten ein Verständnis dafür zu vermitteln, wie das Projekt zusammengefügt und realisiert werden kann. Darüber hinaus sollte der Projektplan konsistent und auf die gemeinsame Vision und den Umfang des Projekts festgelegt sein, damit der PM, die Stakeholder und das Team diese Teilbereiche gemeinsam weiterentwickeln können. Nicht zuletzt soll gewährleistet sein, dass es nur begrenzte Möglichkeiten gibt den Umfang des Projekts anders zu interpretieren.

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Projektzeitpläne

Die Entwicklung von Zeitplänen erfordert Expertenwissen, sowohl in Bezug auf den Inhalt als auch auf den Prozess und die Struktur. Zeitpläne werden im Projektplan als sehr grobe, umfangreiche Schätzungen für die Erreichung von Meilensteinen dargestellt. Sie enthalten alle derzeit bekannten Abhängigkeiten, die zeitliche Beschränkungen begründen. Der Zeitplan kann weiter ausgearbeitet und als Work Breakdown Structure (WBS) oder als nach Prioritäten geordnetes Produkt- oder Projekt-Backlog strukturiert werden. Der PM und sein Team beginnen damit, Ressourcen zuzuweisen und Ziele weiter zu definieren und zu priorisieren. Ein natürlicher nächster Schritt ist dann die Schätzung des Aufwands und der Dauer und damit die Entwicklung eines Projektzeitplans, der als Basisplan verwendet wird.

Der Prozess der Aufwandsschätzung und der Aufgabenabfolge wird wiederum stark von der Projektmethodik beeinflusst. Unabhängig davon, ob das Projekt im Rahmen einer traditionellen oder agilen Projektmethodik verwaltet wird, ist es unerlässlich, dass die Ressourcen, die die Arbeit tatsächlich leisten, an der Entwicklung des Plans beteiligt sind. Die Schätzungen sollten letztendlich das Wissen der ausführenden Teammitglieder widerspiegeln und nicht die Wünsche des Auftraggebers oder des Projektleiters. Alle geplanten Arbeiten bedürfen der Akzeptanz und des Engagements des Teams sowie der Interessengruppen, die das Projekt finanzieren. Dieser Prozess ist anspruchsvoll und erfordert das Urteilsvermögen und die Anleitung eines erfahrenen Projektleiters.

Proof of Concept

Es ist oft wünschenswert einen Proof of Concept (PoC) als erste Projektphase zu definieren. Ein PoC ist nützlich, um ein gemeinsames Verständnis dafür zu entwickeln, was unter digitaler Transformation zu verstehen ist – speziell für das Unternehmen, den Standort und die betroffenen Mitarbeiter. Der PoC ist auch nützlich, um eine realistischere Prioritätenliste, einen Projektplan und einen Zeitplan für die Umsetzung dieser Prioritäten aufzustellen.

Die Definition von Proof of Concept ist für jede Organisation, jedes Projekt und jedes Team anders. Der PoC sollte einige der wichtigsten Merkmale oder Prioritäten der endgültigen Lösung enthalten, um den Nutzen des Projekts konzeptionell zu demonstrieren. Wenn das Ziel beispielsweise darin besteht, Produktionsprozesse mit begrenzter menschlicher Interaktion zu steuern, wäre die langfristige Lösung die Integration und Automatisierung der gesamten Anlagen. In diesem Fall kann ein PoC, der die Integration und Automatisierung einer bestimmten Anlage umfasst, dazu genutzt werden, das Unternehmen zu informieren und sicherzustellen, dass das Projekt angemessen geplant, personell ausgestattet und unterstützt wird. Und gleichzeitig wird ein genauer Hinweis geliefert, was erreicht werden kann. Ein zusätzlicher Vorteil ist, dass die Ergebnisse des PoC dazu beitragen, das Projektteam weiter zu koordinieren und andere nennenswerte Aspekte zu identifizieren.

Der PoC sollte als pragmatische Bewertung genutzt werden, um den gesamten Projektzeitplan und Umfang auf der Grundlage der erzielten Ergebnisse festzulegen. Gleichsam ist der PoC von entscheidender Bedeutung, um sicherzustellen, dass die Mehrheit der Stakeholder mit der Projektvision und dem Projektumfang übereinstimmt. So zeigt er auch, wo die Stakeholder Flexibilität in Bezug auf den Umfang, den Zeitplan und/oder die Ressourcen sehen, bevor sie sich auf das größere Projekt festlegen.

Projektdurchführung

Wenn das Projekt von der Planung in die Ausführung übergeht, sorgt eine aktive und kontinuierliche Kommunikation innerhalb des Projektteams dafür, dass unvermeidliche Änderungen proaktiv angegangen werden und das Team in der Lage ist, geplante Aufgaben auszuführen. Der PM hat die Aufgabe, das Projekt zu überwachen und zu steuern. Parallel dazu muss der PM auch das Projektwissen, die Qualität, das Risiko, die Beschaffung, die Ressourcen sowie die Kommunikation zwischen dem Projektteam und den Stakeholdern verwalten.

Erfolge und Meilensteine evaluieren und feiern

Die Beurteilung des Projekts bei wichtigen Meilensteinen ist ein entscheidender Prozess, der dem PM, dem Team und den Stakeholdern die Möglichkeit bietet, die Projektergebnisse im Vergleich zum Projektplan zu überprüfen und zu bewerten. Wurde die Vision erreicht? Hat der Projektstrukturplan die Abfolge, die Abhängigkeiten, den Aufwand und die Dauer angemessen definiert? Gab es Risiken, die anders hätten erkannt oder abgeschwächt werden können? Gab es Pannen in der Kommunikation mit den relevanten Stakeholdern, sei es in Bezug auf das Sponsoring durch die Geschäftsleitung, die Organisation oder anderweitig? Wurden die Geschäftsziele und der erwartete Nutzen realisiert?

Im agilen Sprachgebrauch nennt man dies eine Sprint-Retrospektive. Die Stakeholder werden gebeten konstruktiven Input zu liefern, um sicherzustellen, dass die nächste Iteration des Projekts auf den Erkenntnissen der vorherigen basiert. In Wasserfallprojekten wird mit einer Abschlussphase ein ähnliches Ergebnis erzielt, wobei zusätzlich ein formeller Abschluss einer Projektphase oder des Projekts selbst erfolgt. Der Abschluss oder die Retrospektive bietet die Gelegenheit, über Erfolg und Misserfolg nachzudenken, das organisatorische Lernen zu verstärken und die Erfahrungen auf der Grundlage der Projektergebnisse zu festigen. Es ist auch eine Möglichkeit, die nächsten Iterationen auf der Grundlage der tatsächlichen Ergebnisse zu definieren. Genauso wichtig ist es aber auch den Erfolg und die harte Arbeit aller Mitwirkenden zu feiern.

Think Big, Start Small, and Move Quickly

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ein groß angelegtes organisatorisches Veränderungsprojekt, wie die digitale Transformation, ein qualifiziertes Projektmanagement erfordert. Das Projekt kann nur davon profitieren, wenn es einem definierten Prozess folgt. Darüber hinaus haben wir festgestellt, dass Ihre Projektergebnisse erheblich davon profitieren werden, wenn Sie das Motto „Think big, start small and move quickly“ beherzigen.