In den letzten Jahren wurden im Bereich der IT- und Automatisierungslösungen für die Fertigung erhebliche Fortschritte erzielt. Dennoch fehlen Produktionsleitern noch immer Informationen zu allen Maschinen in der Fertigung, um letztendlich die Betriebsleistung ihrer Produktionsstätten vollständig zu optimieren. Die mangelnden Informationen beziehen sich in der Regel auf den aktuellen und früheren Zustand der Anlagen, was dazu führt, dass sie nicht in der Lage sind:

  • den aktuellen Zustand und die Auslastung der Anlagen genau zu bewerten
  • zu ermitteln, welche Maschinen für Engpässe sorgen
  • zu bestimmen, welche Maschinen nicht ihr volles Potential ausschöpfen
  • festzustellen, welche Anlagen Probleme und Ausfallzeiten im Allgemeinen haben
  • einfach zu erkennen, welche Geräte Energie und Ressourcen verschwenden
  • aufzuspüren, welche Maschinen Leerlaufzeiten haben, weil Arbeiter/Bediener fehlen
  • Träger und Material zu identifizieren und zu lokalisieren.

Außerdem wird eine effiziente Wartungsplanung und -terminierung  dadurch behindert, dass Indikatoren für einen Wartungsbedarf wie Maschinennutzung, -zustand und Trends, nicht genau bekannt sind. Um Anwendungen wie die vorausschauende Wartung oder die KI-gestützte Disposition/Planung voll ausschöpfen zu können, müssen zudem die aktuellen und früheren Stati aller Anlagen und Maschinen in der Werkshalle bekannt sein.

Was ist das Industrial Internet of Things (IIoT)?

Das Industrial Internet of Things (IIoT) oder zu deutsch das industrielle Internet der Dinge ist der Schlüssel zur Erfassung zusätzlicher Daten und zur Gewinnung wichtiger Erkenntnisse für eine Optimierung im Fertigungsbereich. Dies erfordert im Allgemeinen das Anbringen von Sensoren an Ihren Maschinen, um physikalische Parameter wie Vibrationen, Temperatur oder Stromverbrauch zu messen oder um erweiterte Daten mit Barcode-Lesern oder Kameras zu erfassen. Zusätzlich können Aktoren wie Displays oder Relais Informationen an die Maschine zurückmelden. All diese Geräte haben gemeinsam, dass sie (ggf. mit Hilfe eines kleinen Industrie-PCs) Daten über Standard-Internet-Kommunikationsprotokolle (TCP/IP) übertragen, was es wiederum einfach macht, diese mit Datenverarbeitungsanwendungen zu verbinden, die in Ihrem Fabriknetzwerk oder im Internet laufen. Diese IIoT-Anwendungen verarbeiten die Messwerte und wandeln sie in wertvolle Informationen um, z. B. „die Maschine läuft“ oder „neues Material ist eingetroffen“. Diese Informationen können von übergeordneten Systemen genutzt werden, um beispielsweise die Maschinenauslastung zu optimieren oder um zu überprüfen, ob ein Werkstück an dieser Maschine weiter verarbeitet werden soll. Die IIoT-Anwendung würde in diesem Fall die Anzeige einer Warnung an der Maschine auslösen. So können Anwender dann falsch eingelegte Materialstapel, deren Barcode gerade gescannt wurde, identifizieren und in der Folge Fehlverarbeitungen und Ausschuss vermeiden. Komplexe IIoT-Lösungen, die aus smarten Geräten, TCP/IP-basierter Konnektivität und einer intelligenten Anwendung bestehen, bieten einen großen Mehrwert für ein bestehendes Fertigungsautomatisierungssystem.

Die folgenden Ausführungen geben Auskunft über spezifische Aspekte einer komplexen IIoT-Lösung, darunter:

  • IIoT-Konnektivität, um Datenerfassung, Informationsgewinnung und Fernsteuerung zu ermöglichen
  • Integration von IIoT-Lösungen für die Optimierung von Fertigungsprozessen
  • Verfügbarkeit, Zuverlässigkeit und Kompatibilität bei bestehender Fertigungs-IT
  • schrittweiser Einstieg.

IIoT-Konnektivität & Daten

In der Regel bieten die Anlagenhersteller eine Option zur Integration und sogar zur Fernsteuerung der Maschinen in der Werkshalle über eine Kommunikationsschnittstelle an. SECS ist beispielsweise Standard in der Halbleiterindustrie, Fertigungsanlagen verfügen häufig über eine MTConnect-Schnittstelle und OPC UA und Web Services sind allgemeinere Beispiele. Allerdings sind diese Optionen nicht immer verfügbar oder mit hohen Kosten verbunden. Wenn die Anlagen keine geeignete Kommunikationsschnittstelle besitzen und folglich nicht in die IT-Landschaft der Fertigung integriert sind, fehlen aktuelle und frühere Maschinendaten.

Das Industrial Internet of Things bietet leistungsstarke und kostengünstige Möglichkeiten, solche Anlagen aufzurüsten. Mit IIoT wird es möglich, einen digitalen Zwilling der Anlage zu erstellen – ein virtuelles Modell, das die physischen und funktionalen Eigenschaften der realen Maschine nachbildet.Industrial Internet of Things

IIoT-Lösungen überbrücken die Lücke zwischen Produktionsanlagen und IT-Anwendungen und bieten eine Verbindung, die sonst nicht möglich wäre. IIoT ermöglicht die Übertragung und Aufbereitung des Status einer Maschine (ist sie in Betrieb? ist sie außer Betrieb? verarbeitet sie Material? usw.) an alle relevanten IT-Anwendungen der Fertigung. Indem die betreffende Anlage mit Sensoren und/oder Aktoren ausgestattet wird, kann ihr Zustand gemessen und eingestellt werden. Diese Sensoren und Aktoren sind mit einem minimalistischen Industrierechner (IoT-Gateway) verbunden, der neben der Anlage aufgestellt wird. Das IoT-Gateway leitet die Anlagendaten je nach Bedarf an/von anderen IT-Anwendungen in der Fertigung weiter.

Stellen Sie sich beispielsweise eine einzelne Maschine mit interner Automatisierung, aber ohne Kommunikationsschnittstelle zur Außenwelt vor. Wenn der Bediener den Startknopf drückt, beginnt die Maschine alle Werkstücke zu verarbeiten, die am Eingangsport verfügbar sind. In diesem Fall gibt es jedoch keine Möglichkeit, den Maschinenstatus automatisch zu verfolgen, um beispielsweise ein höheres Maß an Automatisierung oder Optimierung zu ermöglichen. Eine IIoT-Lösung kann diese Lücke schließen. So könnte zum Beispiel die grüne Betriebsanzeige der Maschine mit dem digitalen Eingang eines IoT-Gateways verbunden werden, um die Produktivzeit der Maschine zu messen und zu melden. Ein zusätzlicher Präsenzmelder beim Materialeingang könnte eine Warnung auslösen, wenn Material fehlt, oder die Zählung der produzierten Werkstücke ermöglichen. Die gesammelten Daten würden dann von dem IoT-Gateway verarbeitet, in das digitale Zwillingsmodell innerhalb der IIoT-Anwendung aufgenommen und über eine Schnittstelle zur Verfügung gestellt werden, die den Anforderungen der Fabrik-IT entspricht (z. B. Webservices, MQTT, Apache Kafka, Azure IoT Hub, TIBCO/RV oder andere). Über diese Schnittstelle kann eine OEE-Anwendung die Daten einfach abrufen, um Statistiken und Durchsatz-KPIs zu erstellen.

Andere Anwendungsfälle sind:

  • Ergänzung einer bestehenden Geräteschnittstelle mit IIoT: Dies ist der Fall, wenn zum Beispiel eine Schnittstelle keine Informationen über den Stromverbrauch der Maschine liefert. Die Installation von IIoT-Stromsensoren schafft mehr Transparenz über den aktuellen Zustand der Maschine. Diesen zusätzlichen Daten werden von dem digitalen Zwilling der Maschine genutzt, um den aktuellen Zustand der Anlage besser zu bewerten und eine Optimierung zu ermöglichen.
  • Erleichterung der Umstellung auf „Place-and-Go“-Verarbeitung: Das Hinzufügen von Sensoren und Komponenten (zum Beispiel RFID-Lesegeräte zur automatischen Materialidentifikation) bei bereits integrierten Anlagen erleichtert die Umstellung von der manuellen Materialidentifikation durch den Werker zu einem hochautomatisierten Place-and-Go-Szenario. Place-and-go-Fähigkeiten bilden die Grundlage für die automatisierte Materialbeförderung durch Transportsysteme, autonome Wagen und Roboter.

Die Nutzung des IIoT bietet schon heute wertvolle Funktionen und Einblicke. Gleichzeitig wird in der Zukunft die Nutzung von fortschrittlichen Automatisierungskonzepten ermöglicht, die die Fertigung auf die nächste Stufe heben werden.

IIoT Vorteile

Um die Vorteile von IIoT-Lösungen voll ausschöpfen zu können, müssen sie in produktionsrelevante Anwendungen integriert werden, wie z.B. in die Gesamtanlageneffektivität (OEE = Overall Equipment Effectiveness), das Manufacturing Execution System (MES) und/oder ein Modul für die Anlagenwartung (PM = Plant Maintenance) im ERP System (Enterprise Resource Planning). Durch die Integration werden die Informationen aus allen beteiligten Komponenten verknüpft und es entstehen die folgenden Möglichkeiten.

Vorteile

Setup-Symbol

Ersetzen Sie fehleranfällige, manuelle Prozesse durch Automatisierung, z.B. durch eine automatische Datenerfassung im MES.

Maschinensymbol

Identifizieren Sie die Leerlaufzeit der Maschine und ermitteln Sie die Ursache (Bsp.: die Maschine ist im Leerlauf, weil es dafür laut MES keinen Auftrag gibt oder kein Arbeiter vor Ort ist).

Stopp-Symbol

Sperren der Verarbeitung an einer Maschine, wenn andere Fertigungsanwendungen diesen Vorgang nicht zulassen.

Bildschirm-Infografik-Symbol

Ergänzung der Fertigungsdaten durch zusätzliche Kontextinformationen, z.B.  Identifikation des aktuellen Maschinenprogramms oder Rezepts.

Wartungssymbol

Vorausschauende Wartung.

Download-Symbol

Aktivierung von „Place-and-Go“-Funktionen.

Um solche Anwendungen zu ermöglichen, werden IIoT-Daten in der Regel mit Fertigungsdaten aus mehreren Datenquellen angereichert, die sich auf die 4 Säulen stützen: Mensch, Maschine, Material und Methode (4M). Zum Beispiel ist es üblich, dass bestehende Maschinenschnittstellen Start- und Stop-Ereignisse liefern, die die Produktionszyklen anzeigen. Diese Daten können mithilfe des IIoT angereichert werden, um tiefere Einblicke in Prozesse zu erhalten. So könnte man beispielsweise Temperatur- oder Schwingungsverläufe zur Verfügung stellen, während eine Anlage in Produktion ist. Diese erweiterte Ebene der Felddatenintegration ermöglicht Fabriken Analysefunktionen wie datengesteuerte vorausschauende Wartung, Qualitäts- und Anlagenoptimierung.

Overall Equipment Efficiency

Obwohl die IIoT-Konzepte und -Technologien in den letzten Jahren erheblich ausgereift worden, bleibt es eine anspruchsvolle Aufgabe, solche Lösungen zu implementieren. Insbesondere die Geschwindigkeit, das Volumen und die Vielfalt dieser Daten erfordern eine skalierbare Infrastruktur und ein hochmodernes Schema zur Datenverarbeitung. Der Schlüssel zum Erfolg ist ein effizienter Ansatz zum Model Stream Event Processing zur Gewährleistung einer fehlertoleranten, exakt einmaligen Semantik mit Millisekundengenauigkeit.

IIoT-Lösungen 

IIoT-Lösungen müssen das gleiche Maß an Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit bieten wie die anderen Anlagen und Systeme in der Fabrik und gleichzeitig funktionale, System- und Kostenanforderungen erfüllen. Daher müssen diese Lösungen in die bestehende Fabrikautomatisierung und -verwaltung eingebettet werden. Zusätzlich muss die Lösung in der bestehenden IT-Infrastruktur auch Verfügbarkeits- und Sicherheitsanforderungen sowie mögliche Leistungseinschränkungen berücksichtigen. Nur wenn diese Anforderungen erfüllt sind, werden IIoT-Anwendungen zu echten Industrie 4.0-Lösungen, die das Rückgrat der automatisierten Fertigungsanlagen bilden. Kurzum: IIoT-Lösungen sind keine „Plug-and-Play“-Lösungen, sondern müssen sorgfältig geplant und entwickelt werden, um einen hohen ROI und Stabilität zu gewährleisten.

Die vollumfängliche Nutzung von IIoT ist machbar, erfordert aber ein hohes Maß an Fachwissen sowie eine durchdachte Implementierung und Kontrolle. Nicht nur deswegen ist ein IIoT-Bereitstellungs- und Managementsystem erforderlich, sondern auch um:

  • zuverlässige Software-/Firmware-Updates für IIoT-Geräte mit minimalem Aufwand zu ermöglichen
  • einen Überblick über den Status der IoT-Gateway-Konnektivität zu erhalten, um sicherzustellen, dass alles angeschlossen ist und ordnungsgemäß funktioniert
  • zu gewährleisten, dass eine Flotte von IIoT-Geräten reibungslos betrieben und verwaltet werden kann.

Erste Schritte

Der Einsatz von IIoT-Lösungen überzeugt zunehmend durch eine Vielfalt und Ausgereiftheit von Komponenten und Systemen. Somit ist jetzt der richtige Zeitpunkt, um mit der Einrichtung und Erweiterung digitaler Schnittstellen bei Fertigungsanlagen zu beginnen. Ganz gleich, ob Sie die OEE verbessern, den Energie- und Ressourcenverbrauch kontrollieren und maximieren oder Träger und Material schnell identifizieren und lokalisieren möchten, IIoT-Lösungen schließen die Informationslücken zwischen Maschinen und IT-Anwendungen. Mit der Überwindung dieser Lücken entwickelt sich ein Potential, welches von der Sichtbarkeit der Gerätenutzung und Wartungsanforderungen bis hin zur Befähigung leistungsstarker KI-gesteuerter Dispositions- und Planungsanwendungen reicht. Die IIoT-Konnektivität ermöglicht eine stabile Datenerfassung, die Generierung kontextbezogener Informationen und die Fernsteuerung von Anlagen. Damit ist der Grundstein für iterative Projekte gelegt, die den Weg zu wachsenden Automatisierungsmöglichkeiten ebnen.

SYSTEMA bietet seit 30 Jahren Softwarelösungen und Beratung für die Fertigungsautomatisierung in vielen Branchen an. Wir kennen die Risiken und die Komplexität, die mit der Implementierung neuer Technologien in einer laufenden Produktionsumgebung verbunden sind. Daher bieten wir den notwendigen Support und Service, um den Veränderungsprozess von Anfang bis Ende zu begleiten und die Anwender in die Lage zu versetzen, das System effizient zu nutzen.